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Corona-Einschränkungen, Umsatz- und Ertragseinbrüche – Was ist zu tun?

Seit 25 Jahren sind wir als Unternehmensberater mit den Tätigkeitsbereichen Krisenbewältigung, Krisenprävention und Sanierung (Restrukturierung) von kleinen und mittelständischen Unternehmen tätig. Der Shutdown hat auf breiter Ebene hat in fast allen Branchen zu erheblichen, existenzbedrohenden Umsatzeinbrüchen geführt. Auch nach Beendigung der Corona-Einschränkungen ist mit einer schnellen Erholung nicht zu rechnen, zumal der mit der hierausresultierenden Krise nicht mit geeigneten Mitteln auf politischer Ebene begegnet wurde.

Die wegen der Corona-Krise eingeleiteten Änderungen der Insolvenzordnung reichen aus unserer Sicht nicht aus, um zum erwünschten Erfolg zu führen. Ein Beispiel aus unserer Praxis, welches für die überwiegende Anzahl unserer Mandanten (und sehr viele weitere Unternehmen) fast aller Branchen exemplarisch ist: Ein Textilhändler durfte sein Einzelhandelsgeschäft nicht öffnen, hatte also keinen Umsatz und war insofern nicht in der Lage, seine Kosten zu decken und seine Lieferanten zu bezahlen. Wie bei so vielen anderen kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) gibt es keine Liquiditätsreserven; das Unternehmen erwirtschaftete in der Vergangenheit gerade zum Überleben ausreichende Erträge. Der staatliche Zuschuss verhinderte die anstehende Zahlungsunfähigkeit, es besteht jedoch weiter drohende Zahlungsunfähigkeit.

Insofern ist die Änderung der Insolvenzordnung bezüglich der Pflicht zur Insolvenzantragstellung zumindest kurzfristig hilfreich; ist aber längerfristig eher negativ behaftet, führt sie doch zu einer nicht gegebenen rechtlichen Sicherheit, aus den folgenden Gründen:

Die zentrale Vorschrift in Artikel 1 § 1 des COVInsAG lautet:

Die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach § 15a InsO und nach § 42 Absatz 2 BGB ist bis zum 30. September 2020 ausgesetzt. Dies gilt nicht, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Ausbreitung des SARS-CoV-2 (COVID-19-Pandemie) oder wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. War der Schuldner am 31. Dezember 2019 nicht zahlungsunfähig, wird vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht.

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 30. September 2020 ist demnach der Regelfall. Sie greift nur dann nicht, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der COVID-19-Pandemie beruht oder generell keine Aussichten auf Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit bestehen. Dabei wird eine Vermutungsregel aufgestellt, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der Pandemie beruht.

Diese Änderung der Insolvenzordnung lässt Fragen entstehen:

1. Was geschieht mit einem „pandemiegeschädigtem“ Unternehmen und dessen Geschäftsführer, wenn dieses bereits vor oder nach dem 30.09.2020 zahlungsunfähig und somit insolvenzantragspflichtig wird?

2. Die Gefahr der Insolvenz-Antragstellung des Unternehmens ist wegen Zahlungsunfähigkeit sehr wahrscheinlich, da die Kosten zumindest teilweise weiter zu decken sind. Wie sollen diese Deckungslücken gefüllt werden? Da die Förderrichtlinien für die Gewährung von der KfW verbürgten Darlehen zumindest hinsichtlich der Banken nicht geändert wurden und da dank der niedrigen Zinsen auch wenig Verdienstmöglichkeiten gegeben sind, besteht bei den Banken entsprechend unseren jüngsten Erfahrung wenig Neigung zumindest bei kleineren und mittleren Darlehen hilfreich tätig zu werden. Für die Kreditgewährung ist das interne Rating der Banken maßgebend, so dass eine (vor allem negative) Kreditentscheidung für den Kunden kaum nachvollziehbar ist. In der Zwischenzeit ist unser Mandant endgültig zahlungsunfähig. Welche Möglichkeiten bestehen zur Unternehmensfinanzierung? Jede weitere Zahlung, selbst wenn sie unbedingt zur Aufrechterhaltung des Geschäfts erforderlich ist, könnte somit zu einem Straftatbestand führen, da dem Unternehmer seine Lage ja bekannt ist ...

3. Angenommen, das Unternehmen übersteht die Krise dank der Hergabe von Gesellschafterdarlehen und es werden darüber hinaus Kredite gewährt, so ergibt sich die Problematik der Verzinsung und Tilgung. Wie soll eine entsprechende Umsatz- und Ertragssteigerung erreicht werden, zumal letztere auch noch steuerpflichtig ist? Selbst bei sehr wohlwollender Betrachtung dürfte bei der überwiegenden Mehrheit der betroffenen Unternehmen keine für eine Darlehensgewährung erforderliche Kapitaldienstfähigkeit gegeben sein. Auch bei einer positiven Fortführungsprognose durch einen Sachverständigen ist im Falle der dann doch später bei möglicherweise zu erfolgender Insolvenzantragstellung mit einer Anfechtung nach § 130 InSO wegen folgenden Halbsatzes der InSO-Änderung zu rechnen:

„oder wenn keine Aussichten darauf bestehen, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.“
(Wer stellt diesen Sachverhalt fest?)

§130 Kongruente Deckung

(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die einem Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht hat,

1. wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenz-Verfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte oder

2. wenn sie nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden ist und wenn der Gläubiger zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte. Dies gilt nicht, soweit die Rechtshandlung auf einer Sicherungsvereinbarung beruht, die die Verpflichtung enthält, eine Finanzsicherheit, eine andere oder eine zusätzliche Finanzsicherheit im Sinne des § 1 Abs. 17 des Kreditwesengesetzes zu bestellen, um das in der Sicherungsvereinbarung festgelegte Verhältnis zwischen dem Wert der gesicherten Verbindlichkeiten und dem Wert der geleisteten Sicherheiten wiederherzustellen (Margensicherheit).

(2) Der Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder des Eröffnungsantrags steht die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag schließen lassen.

(3) Gegenüber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahestand (§ 138), wird vermutet, dass sie die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte.

Die Änderung der Insolvenzordnung verhindert nicht die Erfüllung von Tatbeständen nach § 130 InSO. Diese Tatbestände lassen sich in Anbetracht der wenigen liquiden Mittel kaum vermeiden, wenn das Unternehmen fortgesetzt wird.

Neben der erfolgreichen Anfechtung hat der Unternehmer die den Darlehensgebern gegebenen Bürgschaften zu erfüllen, was durchaus in den wirtschaftlichen Ruin und In eine persönliche Insolvenz führen kann.

Für jeden Zahlungsempfänger eines später in Insolvenz fallenden Schuldners besteht das Risiko der Anfechtung. Der Sanierungsberater ist sich dieses Risikos bewusst. Nicht nur, dass sehr hohe Anforderungen an diesen gestellt werden, hat er doch im Falle der Insolvenz grundsätzlich mit einer erfolgreichen Anfechtungsklage durch den Insolvenzverwalter zu rechnen und das erhaltene Beratungshonorar zurückzuzahlen.

Das gilt vermutlich auch für Honorare der BAFA im Rahmen der Corona-Beratung, da diese mit schuldbefreiender Wirkung direkt an den Berater gezahlt werden.

Eine weitere nicht zu unterschätzende Problematik ergibt sich für die absolute Mehrheit aller kleineren Unternehmer dahingehend, dass sich die Geschäftsführer der gesetzlichen Bestimmungen oft nicht bewusst sind, die es einem Insolvenzverwalter immer wieder ermöglichen, ein rechtswidriges möglicherweise auch insolvenzförderndes Verhalten in Verbindung mit einer Insolvenzverschleppung zu ermitteln und entsprechend vorzugehen.

Der Sinn der folgenden Lösungsansätze liegt darin, Unternehmern Mut zur Fortsetzung ihres Geschäftes unter Ausschluss der Sorge einer Insolvenzanfechtung zu machen und eine Flut von Anfechtungsklagen durch die Insolvenzverwalter zu vermeiden:

1. Der existenzgefährdende Umsatzrückgang mit Beginn der Corona-Krise lässt sich für jedes betroffene Unternehmen anhand der entsprechenden betriebswirtschaftlichen Auswertung nachweisen. Für diese Unternehmen bzw. deren Vertreter sollte der § 130 InSO bis zur wirtschaftlichen Konsolidierung ausgesetzt werden. Während der Krise werden anfechtbare Handlungen regelmäßig durch den Geschäftsführer vorgenommen. In einem derartigen Fall sollte die Anfechtung geleisteter Zahlungen nur bei dem Gläubiger vorgenommen werden, um eine verbotene Gläubigerbevorzugung zu vermeiden und alle Insolvenzgläubiger gleichzustellen.

2. Weiter könnte die Gefahr der Insolvenzanfechtung nach § 130 InSO reduziert werden, indem o. g. Halbsatz gestrichen und durch die Pflicht der Erstellung eines Sachverständigengutachtens durch einen Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder Unternehmensberater ersetzt wird. Dieses Gutachten sollte auch für einen möglichen Insolvenzverwalter bindend sein. Es ist nach erfolgter Antragstellung die Regel, dass der Insolvenzverwalter die Antragspflicht schon zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt als den der tatsächlichen Antragstellung ermittelt und entsprechend klagt.

3. Es kann nicht sein, dass für eigentlich gesunde Unternehmen durch die Auswirkungen der Corona-Krise keine weiteren Existenzmöglichkeiten mehr bestehen, da nur eine Minderheit über Margen verfügt, die Annuitätenzahlungen zulassen. Hier kann mit Zuschüssen jedoch nur selten mit Darlehen geholfen werden. Bei unseren Mandanten ist die bisherige Umsatzentwicklung nach Öffnung der Einzelhandelsgeschäfte sehr zögerlich; von einem ertragreichen Geschäft kann zurzeit nicht ausgegangen werden.

4. Steuerliche Hilfen könnten insofern förderlich sein, als die Tilgung von Darlehen, die zur Abwendung von Corona-Schäden aufgenommen wurden, nicht aus dem versteuerten Gewinn des Unternehmens zu tragen, sondern dem steuerlich wirksamen Aufwand (Kosten) des Unternehmens zu zu buchen sind, sich also steuermindernd auswirken.

In unserer jüngeren Praxis mussten wir einigen Mandanten zur Insolvenzantragstellung raten, da die Gefahr des vollständigen persönlichen Ruins unbedingt gegeben war:

Auch wenn die Pflicht zur Abgabe eines Insolvenzantrages ausgesetzt ist, so ändert das den Sachverhalt der Zahlungsunfähigkeit und der späteren Antragspflicht nicht.

Es ist nicht wahrscheinlich, dass die Zahlungsfähigkeit kurzfristig – bis zum 30.09.2020 – wieder hergestellt sein könnte. Hierzu geben die sich abzeichnenden Umsatz- und Ertragsentwicklungen nach der wieder erfolgten Wiedereröffnung von Einzelhandelsgeschäften keinen Anlass. Umsätze und Erträge, die in den vergangenen Wochen nicht erwirtschaftet werden konnten, können nicht nachgeholt werden; die aufgelaufenen Kosten sind trotzdem zu decken. Das gilt auch insbesondere für die Gastronomie.

Die Wahrscheinlichkeit einer großen Anzahl von Unternehmensinsolvenzen ist somit sehr hoch und aus unserer Sicht auch nicht mit der Gewährung von Darlehen zu verhindern.

Ein wirksames Mittel zur Vermeidung einer „Flut“ von Insolvenzen könnte aus unserer Sicht eine erneute nicht rückzahlbare Förderung für kleine und mittelständische Unternehmen für mindestens drei Monate sein – mit Verlängerungsoption. Entsprechend den letzten Pressemitteilungen plant der Gesetzgeber offensichtlich entsprechende Hilfen. Die Eilbedürftigkeit scheint jedoch noch nicht überall durchgedrungen zu sein.

Die vorübergehende Änderung der Insolvenzordnung hat keine Auswirkungen auf die höchstrichterliche Rechtsprechung:

Der BGH urteilt zur Zahlungsunfähigkeit (AZ: IX ZR 123/04) wie folgt:

a) Eine bloße Zahlungsstockung ist anzunehmen, wenn der Zeitraum nicht überschritten wird, den eine kreditwürdige Person benötigt, um sich die benötigten Mittel zu leihen. Dafür erscheinen drei Wochen erforderlich, aber auch ausreichend.

b) Beträgt eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners weniger als 10 % seiner fälligen Gesamtverbindlichkeiten, ist regelmäßig von Zahlungsfähigkeit auszugehen, es sei denn, es ist bereits absehbar, dass die Lücke demnächst mehr als 10 % erreichen wird.

c) Beträgt die Liquiditätslücke des Schuldners 10 % oder mehr, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist.

Ein hilfreicher Ansatz kann die Gründung von Auffanggesellschaften sein, die von den bisherigen Ereignissen nicht betroffen sind, die gleichwohl das bisherige Geschäft auf einer neuen und gesunderen Basis, vor allem ohne Belastungen aus der Vergangenheit fortsetzen können.

Hans-Jürgen Massong
Massong & Partner, Hamburg

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